Statement zur Flyeraktion in Wolfach

Linke Liste Ortenau - LiLO
Thomas Geppert Henker des Ortenauer Gesundheitssystems?

Lügen, Ehrverletzung (§185 StGB), Verleumdung (§187 StGB) – das sind alles harte Worte und Straftaten, die uns mal wieder von Seiten der Kreisfraktionen und dem Landrat entgegen gebracht werden. Da wir bis heute aber noch keine Anzeige im Haus haben, gehen wir getrost davon aus, dass wir mit unserem Flyer mal wieder voll ins Schwarze getroffen haben.

Leider sind weder die Presse noch die Kreistagsfraktionen in ihrem Statement auf den Inhalt unseres Flyers richtig eingegangen und haben uns auch nicht erklärt, was denn nun genau falsch oder gelogen gewesen sein sollte. Wir wollen aber dennoch auf die Pressemeldung der Freien Wähler so gut es geht eingehen. Unseren Flyer könnt ihr hier nachlesen. Die Pressemeldung der Freien Wähler könnt ihr hier aufrufen.

Zunächst einmal sei von uns erwähnt, natürlich ist Thomas Geppert aus Wolfach nicht die Hauptkraft beim Thema Klinikschließungen in der Ortenau. Er ist aber ein Teil des Klüngels, der diese Klinikschließungen gegen den Willen der Mehrheit der Ortenauer Bevölkerung beschlossen hat. Am Ende ist auch er es, zusammen mit 82 weiteren Kreisrät:innen (von denen nur die 2 LiLO Kreisrät:innen konsequent gegen die Klinikschließungen und Personalkürzungen stimmen), der über die Pläne für die Ortenauer Gesundheitsversorgung abstimmt. Er ist sogar Teil des Ausschusses für Gesundheit und Kliniken, der die Klinikschließungen quasi vorbereitet und sich um den Auf- bzw. aktuellen Abbau der wohnortnahen Gesundheitsversorgung in der Ortenau kümmert. Darüber berichten zu können ist Teil unseres Grundgesetzes. Genauer Artikel 5 des Grundgesetzes (Pressefreiheit) und Artikel 11 (Meinungsfreiheit). Wer solch eine Berichterstattung verbieten oder diffamieren will, der sollte sich selbst fragen, ob er nicht langsam den demokratischen Diskurs verlässt.

Für uns ist es wichtig, dass die Kreisräte sich nicht wie in der Vergangenheit dahingehend verstecken können, dass Zeitungen nicht darüber berichten, wer nun genau wie abgestimmt hat. Wir finden es in einer Demokratie essentiell, dass die Menschen genau wissen, wie ihre Mandatsträger abgestimmt haben. Denn dies wirkt sich auf die nächste Wahlentscheidung aus. Leider ist es aktuell noch nicht verpflichtend für den Kreis Debatten wie im Bundes- oder Landtag auch im Internet zu übertragen, damit wirklich jeder die Chance hat, am demokratischen Prozess teilzunehmen. Ebenfalls gibt der Landkreis auch nicht an, wer wie abgestimmt hat. Das halten wir für ein erhebliches Demokratiedefizit.

Nun aber zur angeblichen Behauptung, unser Flyer würde nicht wahrheitsgerechte Behauptungen enthalten:

Die Freien Wähler versuchen gleich zu Beginn, ihren Antrag auf Kürzungen beim Klinikpersonal damit zu rechtfertigen, dass das Klinikum bis 2030 insgesamt 280 Mio. € an Schulden anhäufen würde. Diese These wurde im Jahr 2020 von der Klinikgeschäftsführung aufgestellt. Wobei allen Beteiligten unklar ist, wie dieser Betrag genau zustande kommt. Schaut man sich das Defizit genauer an, entsteht ein Großteil dieses Defizits aus den Abschreibungen für Investitionen, die per Gesetz das Land finanzieren müsste. Als Linke Liste Ortenau haben wir hier mehr als einmal gefordert, dass der Kreis das endlich einklagen müsste. Bisher ohne Erfolg, da Scherer und Konsorten angeblich Angst haben, dann bei anderen Projekten vom Land benachteiligt zu werden.

Wenn also Investitionen jahrelang verzögert wurden und nun mit einem Mal umgesetzt werden müssen, weil OP-Türen nicht mehr schließen oder die Klimaanlagen ausfallen bzw. nicht mehr so leistungsstark sind (siehe Gutachten Lohfert und Lohfert – nicht öffentliche Version), dann steigen natürlich auch die Abschreibungen und somit das Defizit.

Nun nahmen die Kreistagsparteien dieses Defizit zum Anlass, dem Antrag der Freien Wähler zu folgen und beim Personal Stellen zu kürzen. Die freien Wähler schreiben in ihrem Statement, dass sie nicht dort gespart hätten, wo die Gesundheitsversorgung leide. Schauen wir uns aber die gekürzten Stellen genauer an, dann befinden sich darunter ärztliches Personal, medizinisch technisches Personal (Strahlentheraphie/Rönten etc.), Hilfskräfte und viele Weitere, die für den Klinikbetrieb wichtig sind. Nun kann man natürlich der Meinung sein, dass dies der Gesundheitsversorgung nicht schade, doch letztendlich ist das Klinikpersonal sowieso schon am Limit. Jede Hilfskraft, die fehlt, kann Pflegekräfte oder Ärzte nicht unterstützen. Jede Person, die in der Strahlentherapie fehlt, sorgt dafür, dass Krebspatienten länger keine Therapie bekommen. Wenn den Kreisrät:innen die Gesundheitsversorgung der Ortenau also wirklich am Herzen liegt, dann müssten sie mehr Personal einstellen, anstatt den Rotstift anzusetzen. Denn aktuell gibt es immer wieder Berichte, dass Patient:innen an Klinikstandorten abgewiesen werden müssen, weil es zu wenig Personal gibt. Da der Kreis im letzten Doppelhaushalt 40 Millionen € an Überschüssen erzielt hat, sehen wir nicht die Notwendigkeit, 8 Millionen € an Klinikpersonalkosten einzusparen. (siehe Kreistagsbeschlussvorlage vom 10.02.2021)

Beim nächsten Abschnitt erklären die Freien Wähler, dass die Klinikschließungen in Ettenheim und Oberkirch durch die Planungen der Agenda2030 vorgesehen worden seien. Das ist soweit korrekt. Nicht korrekt ist, dass die Schließung des Klinikstandorts Ettenheim ebenfalls schon vorgezogen wurde. Dies ist aktuell lediglich in der Diskussion. Als die Agenda2030 aber beschlossen wurde, hieß es, dass dies kein Schließungsbeschluss sei. Auch das Verwaltungsgericht Freiburg bestätigte uns das. Gleichzeitig stand im Beschluss das Versprechen, dass es bis 2025 eine Überprüfungsklausel für Oberkirch, Kehl und Ettenheim geben würde. Mit diesem Versprechen wurde damals die Zustimmung vieler Kreisräte erkauft. Denn es hieß, sollten sich die Begebenheiten ändern, dann wird es nochmal eine Überprüfung geben.

Wir sind der Überzeugung, dass nicht nur die Kostenexplosion (erst 500 Millionen, dann 704 Millionen, dann 1,3 Mrd. und jetzt evtl. 2 Mrd. €), sondern auch die Corona Pandemie uns zeigen, dass die Agenda2030 überdacht werden muss. Denn mit der dezentralen Klinikstruktur konnte man zumindest einzelne Standorte als Isolierkrankenhäuser einrichten und somit teilweise den Normalbetrieb in den anderen Kliniken aufrechterhalten. Gleichzeitig sahen wir, dass das Ortenau Klinikum schon jetzt nicht gut da steht in Sachen Intensivbetten und Personalkapazitäten. Sollte die Klinikzentralisierung so durchgezogen werden wie geplant, müssen wir uns die Frage stellen, wie viele Menschenleben dabei aufs Spiel gesetzt werden. Denn ab 2030 soll es noch weniger Betten und Personal geben. Aber gerade wegen diesem Mangel starben bereits dutzende Menschen an den Kliniken. Zudem stellt sich die Frage, ob sich in einem Zentralkrankenhaus das Virus nicht schneller verbreitet, als bei dezentralen Strukturen.

Ein weiterer Fakt, den Presse und Kreistagsfraktionen versuchen zu verschleiern ist, Thomas Geppert hat die Hand für die endgültige Klinikschließung in Oberkirch gehoben. Ebenfalls ist er auch Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und Kliniken, welcher die Schließungen und Kürzungspläne vorbereitet/vorabstimmt.

Weiter schreiben die Freien Wähler, es gäbe Nachfolgenutzungskonzepte für die Standorte Oberkirch und Ettenheim. Wie diese aussehen ist unlängst bekannt. Mit einer stationären Notfallversorgung hat das Ganze absolut nichts mehr zu tun, geschweige denn mit einer gescheiten Notfallversorgung. Ein Altersheim ist halt nun mal kein Krankenhaus und eine 2 Stunden Notfallversorgung am Tag mit einer Praxis, die noch nicht einmal über ein Röntgengerät verfügt wie in Oberkirch, kommt man nicht weit. Dementsprechend sind auch die aktuellen Besuchsresonanzen. Die Menschen gehen lieber gleich nach Offenburg, als ihre Zeit mit diesem Minimalangebot zu verschwenden, wo sie am Ende sowieso nach Offenburg oder Achern geschickt werden.

Nun wurde auch bekannt, dass die Kosten für die Nachnutzungskonzepte explodiert sind. Es ist also fraglich, ob für Ettenheim, Oberkirch, Kehl und Gengenbach überhaupt alles so kommt, wie geplant. Einerseits versucht der Kreis zu „sparen“, andererseits wirft er allein für die Nachnutzungskonzepte 100 Mio. € raus. Dieses Geld hätte man auch in den Erhalt der Ortenauer Klinikstandorte investieren können. Dann hätte man eine 24h Notfallversorgung, genügend Betten für Pandemien und Katastrophen und auch mehr Klinikpersonal.

Die Freie Wähler Fraktion weist richtig darauf hin, dass es aktuell notwendig ist, Wolfach weiter zu betreiben, weil durch die Privatisierung der Krankenhäuser im Landkreis Rottweil das Klinikum in Schramberg geschlossen wurde. Hier gibt es also in einem nicht zu vertretenen weiten Radius keine stationäre Notfallversorgung, außer eben in Wolfach. Wir erinnern uns aber an das ProKlinik Gutachten aus dem Jahr 2014. Darin stand geschrieben, dass alle Klinikstandorte in der Ortenau für die Gesundheitsversorgung im Kreis wichtig seien. Innerhalb von 2-3 Jahren hat sich das geändert. Was also heute noch wichtig ist, kann morgen schon wieder auf dem Altar der neoliberalen Kürzungspolitik geopfert werden. Es ist für uns also nur leeres Gerede, wenn nicht wirklich aktive Standortsicherung betrieben wird.

Wir haben nie behauptet, dass die Stellen in Wolfach nicht wieder besetzt wurden (5 von 6 sind besetzt). In unserem Text forderten wir, dass es von Herrn Geppert eine Stellungnahme zu den hohen Kündigungs- und Überstundenzahlen geben sollte. Im Kreistag forderten wir, herauszufinden, warum diese Ärzt:innen gegangen sind. Denn 22,5% in einem Jahr ist schon eine Hausnummer. Wenn man sich den Umgang mit Frau Dr. Hase aus Ettenheim ansieht, dann wundert es einen auch nicht, warum es der Klinikleitung bis heute nicht gelungen ist, eine Frauenärztin einzustellen. Manchmal scheinen auch der Wille und das gute Betriebsklima am Ortenau Klinikum zu fehlen.

Dass die Freie Wähler Fraktion unsere Forderung nach einer Geburtenstation damit abtut, dass die Personalführung des Klinikums in Wolfach gesagt hat, man stehe personell und baulich gut da, ist mal wieder ein Zeichen für sich. Die Fraktion besteht fast nur aus älteren Männern und sieht dementsprechend auch nicht die Notwendigkeit dafür, dass die Kinzigtälerinnen nicht 30 Minuten bis nach Offenburg fahren müssen sollten, wenn sie in den Wehen liegen.

Zu guter Letzt gehen die Vorsitzenden der Freien Wähler noch kurz auf die Rechtsform ein. Leider schreiben sie lediglich, dass der Rechtsformwechsel eben nicht die Privatisierung bringen solle. Warum und wieso sie das denken, erklären sie leider nicht. Wir haben bereits mehrfach in anderen Texten dargelegt, warum wir diese Gefahr sehen. Sie schreiben auch, dass die Sitzungen des Aufsichtsrates nicht geheim, sondern nichtöffentlich seien. Das sei angeblich ein großer Unterschied. Was aber genau der Unterschied ist, das bleibt dem interessierten Leser ein Rätsel.

Thorsten Erny, Fraktionssprecher der CDU, wirft uns eine Entfernung vom demokratischen Diskurs vor. Doch wir sind es nicht, die in Zukunft die meisten Themen, welche das Ortenau Klinikum betreffen, hinter verschlossenen Türen regeln wollen (dies wird in Zukunft mit der neuen Rechtsform der Fall sein). Wir sind es nicht, die Angst vor der Bevölkerung haben. Ganz im Gegenteil, wir wollen basisdemokratische Mitbestimmung im Kreis und vor allem am Ortenau Klinikum. Warum sollten die Klinikbeschäftigten nicht darüber abstimmen dürfen, wer ihre Chefs sind? Und wieso sollte die Ortenauer Bevölkerung nicht entscheiden dürfen, ob sie die Kliniken querfinanzieren wollen oder nicht?

Vor allem aber wundern wir uns, wieso uns Herr Lupfer von der Mittelbadischen Presse und die Kreistagsfraktionen immer wieder fragen, wie wir das Geld auftreiben wollen, um alle Kliniken erhalten zu können. Laut Lohfert und Lohfert hätte der Erhalt aller Ortenauer Klinikstandorte bis 2030 ca. 421 Millionen € gekostet. Die Klinikzentralisierung mit ihren Neubauten kostet uns jetzt schon 1,5 Mrd. €, also mehr als das Dreifache. Und kein Mensch kommt auf die Idee, mal die Kreistagsparteien zu fragen, wie wir das eigentlich finanzieren sollen. Da die Baukostensteigerungen aktuell höher sind als geplant und solch Großprojekte meist teurer werden als geplant, rechnen wir mittlerweile getrost mit 2 Mrd. €.

In Zeiten, in denen 140 Mrd. € mehr für den Krieg ausgegeben, 36 Mrd. € für CUM-EX Geschäfte aus dem Fenster geworfen und mehrere Millionen € für neue Messehallen in Offenburg verschleudert werden, fragen wir uns nicht mehr, ob genügend Geld da ist. Es ist da. Wir müssen uns nur entscheiden welche Prioritäten wir bei der Verteilung setzen. Ist uns die Gesundheitsversorgung wichtig oder nicht?